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Aktuelle Daten zeigen, dass weltweit mehr ältere Menschen über 65 an Muskelschwund (Sarkopenie) leiden als an Demenz. Die Zahl der Erkrankten liegt – je nach Datenquelle – zwischen 10% und 27% für Muskelschwund und zwischen 6% und 8% für Demenz.
Die Auswirkungen von Muskelschwund auf die Lebensqualität von Patienten und Angehörigen können aufgrund der körperlichen Einschränkungen ähnlich schwerwiegend sein wie eine demenzielle Erkrankung in psychischer Hinsicht.
Muskelschwund (medizinisch «Sarkopenie») entwickelt sich angesichts der steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung zu einem Problem für die öffentliche Gesundheit.
Die Folgen von Muskelschwund / Sarkopenie
Muskelschwund führt zu verringerter Kraft und geringerer körperlicher Leistungsfähigkeit. In der medizinischen und gesellschaftlichen Diskussion hat Muskelschwund nach Ansicht von Sarkopenie-Forschern bis jetzt nicht die Aufmerksamkeit erlangt, die diese Erkrankung haben sollte.
Auf den ersten Blick erkennbare Folgen einer Sarkopenie sind Einschränkungen der Mobilität, Gebrechlichkeit und ein erhöhtes Sturz- und Verletzungsrisiko.
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Als weitere Folgen lassen sich eine Beeinträchtigung der Immunfunktion nennen und ein dementsprechend erhöhtes Infektionsrisiko. Darüber hinaus kann eine geringe Muskelmasse zu einer verringerten Glukoseverwertung führen, was die Wahrscheinlichkeit einer Insulinresistenz und eines Typ-2-Diabetes erhöht. Bei fortgeschrittener Sarkopenie kann die Atmung beeinträchtigt werden, Husten fällt schwer oder ist kaum noch möglich.
Der Schöpfer des Namens «Sarkopenie», der US-Forscher Irvin Rosenberg, kam nach intensiver Beschäftigung mit dem Thema zu dem Fazit: «Kein einziges Merkmal des altersbedingten Abbaus ist bedeutsamer als die Abnahme der Muskelmasse …»
Ursachen von Muskelschwund / Sarkopenie
Die Ursachen der Sarkopenie sind vielfältig. Eine Verringerung der Muskelmasse ist zunächst eine Folge des normalen Alterungsprozesses. Als Faustformel lässt sich nennen, dass ein Mensch ab dem 50. Lebensjahr jährlich ca. 1% seiner Muskelmasse verliert. Da Menschen heute im Durchschnitt deutlich älter werden als vor einigen Jahrzehnten, steigt die Zahl der Menschen mit fortgeschrittener Sarkopenie ständig. Als Konsequenz dieser Entwicklung hat die WHO im Jahr 2016 das Krankheitsbild Muskelschwund in die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD) aufgenommen. Deutschland folgte 2018.
Weitere Ursachen für die Zunahme von Muskelschwund sind ein arbeitsbedingter Lebensstil mit wenig körperlicher Aktivität und ungesunde Ernährung.
Forschung zum Muskelschwund / Sarkopenie
Zur Zeit konzentriert sich die wissenschaftliche Forschung auf Diagnoseverfahren zur Früherkennung und auf Methoden zur Behandlung von Sarkopenie. Medikamente sind bis jetzt nicht verfügbar. Im Hinblick auf die Erhaltung der Mobilität wird in erster Linie Krafttraining empfohlen. Eine Vielzahl von Untersuchungen hat gezeigt, dass auch bei über 80jährigen Muskelaufbau möglich ist. Darüber wird eine Ernährung empfohlen, die reich an Proteinen und Vitamin D ist.
Trotz grosser Anstrengungen steht die Sarkopenie-Forschung erst am Anfang. So ist z.B. noch nicht bekannt, welche Muskeln des Körpers in welchem Ausmass von Sarkopenie betroffen sind. Es ist gibt auch noch keine Erkenntnisse, in welcher Weise die sogenannte glatte Muskulator der inneren Organe durch Sarkopenie beeinträchtigt werden kann.
Fazit
Als Fazit zum aktuellen Forschungsstand lässt sich festhalten: Sarkopenie sollte als ernste Krankheit wahrgenommen werden, die jedem erwachsenen Menschen als Risiko des Alterns bewusst werden muss und der man – hoffentlich – wirksam vorbeugen kann.
Ein Phänomen, das in Zukunft vermutlich grössere Bedeutung bekommen wird, ist die Zunahme der Sarkopenie bei Personen mit starkem Übergewicht (Adipositas). Dies klingt zunächst paradox. Die Ursache: Ungesundes Essem bei gleichzeitigem Bewegungsmangel kann – ebenso wie geringe Kalorienaufnahme – zum Muskelabbau führen.
Wissenschaftlicher Hintergrund
Verlust an Muskelmasse und Muskelfunktion
Der Begriff Sarkopenie bezieht sich auf den Verlust von Skelettmuskelmasse und -funktion mit weitreichenden Folgen:
Folgen einer Sarkopenie sind u.a. Sturz- und Traumarisiko, Behinderungen, eingeschränkte körperliche Aktivität und Gebrechlichkeit (frailty) mit verminderter Autonomie. Weiterhin lassen sich Auswirkungen auf die allgemeine Nährstoffzufuhr und den Ernährungszustand nennen, die Unabhängigkeit und die Atmung.
Man könnte meinen, dass Sarkopenie ein unvermeidlicher Bestandteil des Alterns ist. Das mag in gewisser Hinsicht zutreffen, aber andererseits sollte sie als schwere Krankheit betrachtet werden.
„Ein Verlust von bis zu 10 % der Skelettmuskelmasse ist mit einem höheren Risiko für klinisch relevante Komplikationen verbunden, einschließlich einer Beeinträchtigung der Immunfunktion und eines höheren Infektionsrisikos, insbesondere bei Vorliegen anderer Erkrankungen.“
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0026049523001610
Eine geringe Muskelmasse kann zu Stoffwechselkrankheiten führen, indem sie die Glukoseverwertung schwächt, was die Wahrscheinlichkeit einer Insulinresistenz und eines Typ-2-Diabetes erhöht.
Zunehmende wissenschaftliche Aktivitäten
In den letzten 20 Jahren hat die klinische Forschung zum Konzept der Sarkopenie stark zugenommen. In PubMed sind mehr als 18.000 Artikel zu finden, mit jährlichem Zuwachs von mehr als 3.000 Artikeln pro Jahr seit 2021.

Weltweit haben 105 Länder/Regionen an der Sarkopenie-Forschung mitgewirkt. Die meisten Sarkopenie-Artikel wurden in den USA veröffentlicht (3.452, 25,7 %), gefolgt von Japan (1.798, 13,5 %), Italien (1.149, 8,6 %), England (1.006, 7,5 %) und Südkorea (886, 6,6 %).
Im Vergleich zu dementiellen Erkrankungen hat die Sarkopenie allerdings noch deutlichen Rückstand. Über Demenz werden jedes Jahr mehr Artikel veröffentlicht (< 20.000), als in in den vergangenen 20 Jahren über Sarkopenie. Gemessen an der Zahl der Veröffentlichungen befindet sich die wissenschaftliche Forschung über Sarkopenie ungefähr auf dem Niveau der Demenzforschung im Jahr 1995.
Die Existenz von wissenschaftlichen Gesellschaften ist ein zweiter Indikator für den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Stellenwert einer Krankheit. Mittlerweile gibt es zwar mehrere „Arbeitsgruppen“ oder „Projektgruppen“ (z.B. Foundation for the National Institutes of Health Sarcopenia Project), aber erst eine internationale Gesellschaft, die sich zumindest teilweise mit Sarkopenie beschäftigt: https://society-scwd.org/
Im Gegensatz dazu gibt es Dutzende von Gesellschaften, die sich mit der Alzheimer-Krankheit oder Demenz befassen und die Forschung finanzieren. Die Alzheimer’s Association zum Beispiel finanziert unabhängige Forscher weltweit. Derzeit investiert die Vereinigung über 320 Millionen Dollar in mehr als 1.000 Projekte in 54 Ländern auf sechs Kontinenten.

Ein weiterer Indikator für den wissenschaftlichen Entwicklungsstand einer Krankheit ist die Zahl der Fachzeitschriften, die sich ausschließlich mit dieser Krankheit befassen.
Bis jetzt gibt es weltweit erst eine einzige Zeitschrift, die das Wort Sarkopenie im Titel trägt: The Journal of Cachexia, Sarcopenia and Muscle. Der größte Teil der einschlägigen Forschung erscheint in thematisch verwandten Zeitschriften, z. B. Aging Clinical and Experimental Research, Current Opinion in Clinical Nutrition and Metabolic Care. Im Vergleich dazu gibt es zahlreiche Zeitschriften, die sich ausschliesslich mit der Alzheimer Krankheit und Demenz beschäftigen.
Der Begriff „Sarkopenie“
Der Begriff „Sarkopenie“ wurde 1989 von Rosenberg eingeführt und bezeichnete zunächst den altersbedingten Rückgang der fettfreien Körpermasse. Nach Studium der Forschungsergebnisse zum Muskelabbau kam er zu dem Schluss, dass es kein einziges Merkmal des altersbedingten Abbaus gibt, das auffälliger ist als die Abnahme der fettfreien Körpermasse, da es eine Vielzahl von negativen Begleiterscheinungen hat. https://doi.org/10.1093/jn/127.5.990S

„Kein einziges Merkmal des altersbedingten Abbaus ist bedeutsamer als die Abnahme der fettfreien Körpermasse, da es sich auf die Fortbewegung, die Mobilität, die Energiezufuhr, die allgemeine Nährstoffzufuhr und den Ernährungszustand, die Unabhängigkeit und die Atmung auswirkt.“
– Irwin H. Rosenberg
Foto: © MARK MORELLI
https://tuftsjournal.tufts.edu/archive/2001/november/people/rosenberg.shtml
Rosenberg kam auf die Idee, dass es hilfreich wäre, diesem Phänomen einen Namen zu geben, wenn man es ernster nehmen wollte und schuf das Wort Sarkopenie (engl. sarcopenia). „Die griechischen Wurzeln des Wortes sind sarx für Fleisch und penia für Verlust. Der Begriff beschreibt wichtige Veränderungen in der Körperzusammensetzung und den damit verbundenen Funktionen.“
https://doi.org/10.1093/jn/127.5.990S
Im Jahr 2016, fast 27 Jahre nachdem Rosenberg den Begriff „Sarkopenie“ vorgeschlagen hatte, wurde das Krankheitsbild in die Internationale Klassifikation der Krankheiten aufgenommen. 2018 hat Deutschland diese Entscheidung übernommen. Seitdem ist es möglich, dass niedergelassene Ärzte die Diagnose Sarkopenie über den ICD-Code M62.84 (Sonstige näher bezeichnete Muskelkrankheiten, Hand) mit den Krankenkassen abrechnen können.
Das Bewusstsein für die routinemäßige Bewertung der Skelettmuskelmasse und -funktion in der klinischen Praxis ist jedoch nach wie vor relativ gering. Bis zu einem gewissen Grad mag dies darauf zurückzuführen sein, dass es keine allgemein anerkannte Definition der Sarkopenie und keine diagnostischen Kriterien gibt, was zu unterschiedlichen Forschungsansätzen mit unterschiedlichen Methoden und oft widersprüchlichen und verwirrenden Forschungsergebnissen führt.
Zweifellos ist es Rosenbergs Verdienst, diesem bedeutenden Phänomen einen Namen gegeben und damit für eine größere Anerkennung durch die wissenschaftliche Gemeinschaft gesorgt zu haben, aber er hat keine präzise Definition der Sarkopenie vorgelegt. Die wissenschaftliche Gemeinschaft ringt noch immer um die Formulierung vieler Begriffe zum Thema Sarkopenie, z. B. Muskelquantität, Muskelqualität und wie diese Variablen zu messen sind. Eine internationale Einigung auf eine Definition der Sarkopenie liegt noch in weiter Ferne. Vielleicht wird ein Glossar, das 2022 vom „Global Leadership in Sarcopenia (GLIS) Steering Committee“ veröffentlicht wurde, dazu beitragen, die derzeitigen Definitionshindernisse zu überwinden.
https://link.springer.com/article/10.1007/s41999-022-00706-5
Eine vorläufige Definition von Sarkopenie
Derzeit gibt es bis zu neun Definitionen von Sarkopenie und noch viel mehr Diagnose-Algorithmen.
Aus praktischen Gründen schlagen wir vor, eine Definition von Barazzoni et al, 2023, zu verwenden.
Sarkopenie kann definiert werden als …
„… ein bedeutendes Organversagen, das durch eine verringerte Skelettmuskelmasse und -funktion gekennzeichnet ist und zu einer Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit führt, die sich bei den meisten Krankheitsbildern erheblich auf die Prognose der Patienten auswirkt.“
Schwerpunkte der derzeitigen Forschung: Diagnosekriterien, Behandlung, Prävention
Schwerpunkte der aktuellen wissenschaftlichen Forschung sind Definitionen und Diagnosekriterien. Mit allgemein akzeptierten Definitionen, Algorithmen und Diagnosekriterien (z. B. Grenzwerte) würde die internationale Forschung einheitlicher und die Ergebnisse wären besser vergleichbar.
Die größte Herausforderung: Das Schlüsselkriterium der Sarkopenie – die Muskelmasse – ist nicht leicht zu messen. CT-Scans liefern zwar die besten Ergebnisse, eignen sich aber nicht für einen groß angelegten Einsatz.
Eine praktikable Methode wäre die bioelektrische Impedanzanalyse (BIA), aber sie beruht auf Gleichungen und Annahmen zur Messung der Fettmasse und zur Schätzung der fettfreien Masse (FFM). Darüber hinaus sind die verfügbaren Geräte nicht standardisiert und liefern möglicherweise nur wenig zuverlässige Daten.
Eine weitere mögliche Methode könnte Ultraschall sein, aber auch sie muss sorgfältig standardisiert werden, bevor sie in großem Maßstab zur Sarkopenie-Diagnose eingesetzt werden kann.
Solange es keine praktische Methode zur direkten Messung der Muskelmasse gibt, ist es weithin üblich, die Muskelfunktion zu beurteilen, z. B. anhand der Hand- oder Beinkraft. Selbst anthropometrische Messungen des Mittelarm- und Wadenumfangs scheinen für den klinischen Gebrauch akzeptabel zu sein, obwohl sie nicht standardisiert sind und es an Referenzwerten für Patienten unterschiedlichen Alters oder ethnischer Gruppen mangelt. https://doi.org/10.1016/j.clnesp.2022.01.027
Neben einer verbesserten Diagnose konzentriert sich die Forschung auf die Früherkennung und Behandlung von Sarkopenie. Themen von besonderem Interesse sind die Entwicklung von Biomarkern, Ernährungsinterventionen und Medikamenten zur Verstärkung der positiven Auswirkungen von Widerstandstraining.
Dritter Schwerpunkt ist die Entwicklung wirksamer Präventionsstrategien, die die Menschen während ihres Lebens leicht anwenden können.
Themen für die künftige Forschung
Die Erforschung der Sarkopenie wird sich in Zukunft möglicherweise stärker auf molekulare Mechanismen der Sarkopenie fokussieren. Darüber hinaus könnte die Aufdeckung der Verbindung zwischen Sarkopenie und anderen Krankheiten ein Forschungsschwerpunkt werden. Weitere Themen der künftigen Forschung werden vermutlich die Verfeinerung des Sarkopeniekonzepts und die Berücksichtigung der zunehmend anerkannten klinischen Heterogenität sein. https://doi.org/10.1016/j.metabol.2023.155558

Ein Phänomen, dem in Zukunft mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss, ist die Zunahme der Sarkopenie bei Personen mit Adipositas.
Foto: https://flic.kr/p/4NWycL
Im Allgemeinen ist ein hohes Körpergewicht mit einer hohen Skelettmuskelmasse verbunden. Überschüssiges Fettgewebe kann jedoch mit muskelkatabolischen Störungen, einschließlich systemischer und muskulärer Entzündungen, oxidativem Stress und Insulinresistenz einhergehen.
Ungesunde Ernährungsgewohnheiten und Bewegungsmangel können ebenfalls zum Muskelabbau führen. In Anbetracht der steigenden Zahl fettleibiger Menschen könnte die Prävalenz der „sarkopenischen Adipositas“ bzw. „adipösen Sarkopenie“ in den kommenden Jahren erheblich zunehmen.
https://doi.org/10.1016/j.metabol.2023.155558
Hoffnungen für die Zukunft
- Die Diagnose, Behandlung und Vorbeugung von Sarkopenie wird Teil der klinischen Routinepraxis.
- Die Mittel für die Sarkopenieforschung werden vervielfacht.
- Sarkopenie muss als schwere Krankheit wahrgenommen werden, die den meisten erwachsenen Menschen als Risiko des Alterns bekannt ist und der man – hoffentlich – wirksam vorbeugen kann.
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