langes Leben, Langlebigkeit
Zusammenfassung von Gundolf Meyer-Hentschel
Am 24. September 2021 hat die Neue Zürcher Zeitung ein Interview mit dem Demografie-Forscher James Vaupel veröffentlicht. Interviewerin war Anja Jardine.
Nachfolgend eine Zusammenstellung der aus meiner Sicht besonders spannenden Aussagen von James Vaupel. Alle Sätze sind wörtliche Zitate, die Reihenfolge wurde teilweise geändert, um die Aussagekraft zu erhöhen. Die Zwischenüberschriften und Hervorhebungen stammen vom Verfasser der Zusammenfassung.
Foto: Bengt Oberger
Das komplette Interview finden Sie über folgenden Link: https://www.nzz.ch/gesellschaft/im-zeitalter-der-hundertjaehrigen-muessen-wir-lebenslaeufe-neu-denken-ld.1646537
Die Lebenserwartung steigt ….
Die Lebenserwartung steigt [in Europa] seit 180 Jahren um zweieinhalb Jahre pro Jahrzehnt. [ … ] Im Moment deutet alles darauf hin, dass sich die maximale Lebenserwartung stetig steigern wird. Der Alterungsprozess erweist sich als plastisch, und es ist gut möglich, dass er durch neue Erkenntnisse in Wissenschaft und Medizin weiter modifizierbar ist.
Manche Menschen werden trotzdem nicht besonders alt
Wir gehen heute davon aus, dass [nur] 25 Prozent der Variation in der Lebensdauer auf unterschiedlichen Genen basiert. Das ist die gute Nachricht. Denn 75 Prozent sind nicht genetisch bedingt. 10 Prozent hängen von der frühkindlichen Umgebung ab, angefangen in der Gebärmutter, auf die restlichen zwei Drittel hat jeder Einfluss.
Langlebigkeit ist für die Evolution sinnvoll
Es gibt Modellrechnungen, die zeigen, dass Grossmütter sehr wichtig sind. Sie sprangen ein, wenn die Mütter bei der Geburt starben oder wenn sie auf dem Feld arbeiten mussten. Die Kindersterblichkeit war geringer, wenn es Grossmütter gab. [Anmerkung: Das gilt in analoger Weise natürlich auch heute.]
Was zeichnet Hochaltrige aus?
Es macht den Eindruck, als seien sie eher optimistisch, als schauten sie eher vorwärts als rückwärts. Und sie wirken immer noch beteiligt, interessiert, wollen sprechen. (vgl. dazu auch unseren Blogbeitrag: Hoffnung bleibt ein Leben lang.)
James Vaupel (Jahrgang 1945) über sich selbst
Ich glaube, in den letzten zehn Jahren habe ich mehr wegweisende wissenschaftliche Artikel geschrieben als in irgendeinem früheren Jahrzehnt.
Wieviele Superalte gibt es auf der Welt?
In der Internationalen Datenbank für Langlebigkeit (IDL), die wir am Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock angelegt haben, sind validierte Daten von mehr als 18 000 Semi-Supercentenarians, also Menschen zwischen 105 und 109, sowie von 1200 Supercentenarians, also Menschen über 110, gespeichert.
Warum James Vaupel inzwischen in Dänemark lebt
Die Max-Planck-Gesellschaft in Deutschland zwang mich mit 72 aufzuhören, normalerweise ist das Rentenalter 65, aber sie gaben mir noch sieben Jahre extra. [ … ] Die Dänen bewerkstelligen den Umbau der Systeme sehr klug und behutsam. Hier kannst du deinen Job so lange machen, wie du willst und dein Boss findet, dass du ihn machen kannst. Es ist verboten, jemanden aufgrund seines Alters zu entlassen.
Wir müssen Lebensläufe neu denken
Es braucht mehr Flexibilität, auch um die Jüngeren zu entlasten. Kürzere Wochenarbeitszeit und längere Lebensarbeitszeit – das wäre doch für alle ein Gewinn! Im Zeitalter der Hundertjährigen müssen wir Lebensläufe neu denken.
Das dänische Rentenmodell
Die Idee ist die, dass die Bürger bei steigender Lebenserwartung und längerer Lebensarbeitszeit immer 15 Jahre Ruhestand garantiert bekommen.
Langlebigkeit ist kein Grund zu jammern
Ein langes Leben ist ein Geschenk! Eine Errungenschaft der Zivilisation. Und eine Chance, einiges neu zu gestalten. [ … ] Statt uns darüber zu freuen, klagen wir, dass unsere Systeme kollabieren. Ändern wir doch lieber die Systeme.
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